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Auch in einem abbruchreifen Gebäude steckt noch viel Wertvolles: Das haben die Mitarbeitenden des Staatlichen Bauamtes in Augsburg in einem gemeinsamen Pilotprojekt mit Architektur-Studierenden bewiesen. Beim Abriss der alten Augsburger Stadtbücherei haben sie dafür gesorgt, dass in großem Stil gebrauchte Bauteile erfasst, verkauft und beim Bau anderer Gebäude wiederverwendet wurden. Ein Musterbeispiel für zirkuläres Bauen.
Eine komplette, vollverzinkte Wendeltreppe ist nach Sulzbach-Rosenberg in die Oberpfalz transportiert worden. Dort dient sie jetzt als zusätzliche Fluchttreppe an einem Wohnhaus. Eine Glasvitrine, in der früher Buch-Neuerscheinungen präsentiert wurden, erhielt ein zweites Leben als Bücherschrank in einer Wohngenossenschaft in Ulm. Die Waschbecken und Toilettenschüsseln aus dem früheren Bücherei-WC hingegen sind in Augsburg geblieben und werden jetzt in der Toilette eines privaten Tonstudios genutzt. All diese Bauteile haben eines gemeinsam: Sie stammen aus dem Gebäude der ehemaligen, im Jahr 2022 abgerissenen Stadtbücherei von Augsburg. Erstmals überhaupt hat der Freistaat Bayern dort gebrauchte Bauteile aus einem Abrissobjekt sichern lassen und online zum Verlauf angeboten. Begleitet wurde dieses Pilotprojekt des Staatlichen Bauamtes Augsburg von Architektur-Studierenden der örtlichen Hochschule.
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber ist begeistert von den Ergebnissen des Pilotversuchs: Es sei erfolgreich gelungen, die Verschwendung von Energie und Ressourcen im Bausektor zu verringern und damit regional und global zum Klimaschutz beizutragen, lobte er bei der Verleihung des Bayerischen Klimaschutzpreises 2023. »Dieser Projektgedanke sollte Standard bei Bau- und Abrissvorhaben und Grundwert in unserer Gesellschaft werden«, sagte der Minister.
Insgesamt 400 Bauteile aus dem Abbruchgebäude, wie Fenster und Türen, Heizkörper oder Bodenbeläge, wurden bei dem Pilotversuch gesichert und zum Wiederverkauf angeboten. Für fast 80 Prozent des Angebots fanden sich dann auch Käuferinnen und Käufer. Durch die Wiederverwendung dieser Bauteile konnten geschätzte 18 Tonnen sogenannter CO2-Äquivalente eingespart werden. Zur Einordnung: Der gesamte CO2-Wert des Bestandsgebäudes lag den Berechnungen zufolge bei mehr als 200 Tonnen, mehr als Dreiviertel der CO2-Äquivalente entfiel dabei auf die Betonkonstruktionen.
Abgewickelt wurden die Verkäufe der gebrauchten Bauteile über den Online-Marktplatz des auf den Handel mit gebrauchten Bauteilen spezialisierten Start-up-Unternehmens Concular aus Stuttgart. Von Behördenseite wurde der Pilotversuch von der Leiterin des Bereichs Hochbau im Augsburger Bauamt, Kathrin Fändrich, koordiniert. Ihr Fazit: »Ich war eigentlich überrascht, wie unproblematisch es letztlich war, dieses Projekt zu realisieren.« Sie ist fest davon überzeugt, dass die Wiederverwertung von Bauteilen Schule machen wird. »Wir sind mit Anfragen von Interessenten regelrecht überrannt worden«, sagt sie. Erste Nachahmer-Projekte beim Abbruch öffentlicher Gebäude in anderen Regierungsbezirken gibt es schon.
»Wir brauchen eine Wende im Bauwesen«, sagt die Architektur-Professorin Mikala Holme Samsøe von der Hochschule Augsburg. Die Branche gehöre zu den größten Emittenten von CO2. »Wir werfen zu viel weg. Hier muss etwas passieren«, sagt die Professorin. Ihre Studierenden waren im Zuge des Pilotprojektes dafür verantwortlich, die recyclebaren Bauteile in dem Abbruchhaus zu katalogisieren. Sie hätten dabei unschätzbare Erfahrungen sammeln können, sagt Mikala Holme Samsøe. Klimaschutz im Bauwesen sei schließlich das große Thema dieses Jahrzehntes. »Daran müssen wir denken, wenn wir neue Architektinnen und Architekten ausbilden. Denn das Problem ist drängend und wir haben nicht mehr viel Zeit.«
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